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Die letzten Tage habe ich ein paar Erkundungstouren gemacht, die Zusammenfassung imTelegrammstil: Mount Everest aus der Ferne; eine Flussüberquerung (ohne Brücke, barfuss, die Mädchen aus dem Dorf fanden uns gezierte Europäer ziemlich lustig); Schlammstrassen auf dem Mountain Bike; die schreckliche Umweltverschmutzung hier in der Stadt plus Kühe, Hunde, unachtsame Menschen und Autofahrer gemeinsam auf den Schlagloch übersähten Strassen; wunderschöne Paläste aus Ziegelsteinen mit kunstvoll geschnitzten Holzfenstern und mit Kerzen beleuchtete Hindu-Tempel.

Am Donnerstag fliege ich mit meinen nepalesischen Kolleginnen nach Janakpur im Süden von Nepal, an der Grenze zu Indien wo wir zwei Tage bleiben und dann weiter nach Biratnagar fahren. Dort wird das Women's Programme von NDI evaluiert in dessen Rahmen allein im letzten Monat 4000 Frauen ausgebildet wurden um als KandidatInnen bei Wahlen anzutreten.
Leider sind diese Wahlen nicht in Sicht, aber es macht ja auch keinen Sinn die Frauen erst drei Wochen vorher auszubilden.

Das Training läuft unter erschwerten Bedingungen, weil immerhin 40% der Frauen nicht lesen und schreiben können. D.h. die Bücher sind mit vielen Bildern ausgestattet und die Trainings stark praxisorientiert.

Ich bin schon sehr neugierig auf dieses "andere Nepal". Aus den Leben der Menschen in den Dörfern um Kathmandu kann man ein bisschen extrapolieren unter welchen schwierigen und ärmlichen Bedingungen die Leute am Land leben...

Und ausserdem recherchiere ich derzeit gerade für das nächste Projekt von NDI, das ein "Political Leadership Program" auf die Beine stellen soll. Ich versuche dabei möglichst viele Elemente partizipativer Politikentwicklung und Teilhabe der Bevölkerung einzubringen.
Eigentlich war Nepal in dieser Hinsicht schon auf einem guten Weg. Ende der 90er Jahre gabs eine Reihe von ehrgeizigen und ziemlich großflächigen Projekten, die die Einbindung der Bevölkerung in politische Prioritätensetzung auf lokaler Ebene sicherstellten (siehe Participatory District Development Programme .

Dann löste der König 2001 das Parlament auf und damit auch die lokalen Regierungen. Derzeit hängen alle diese Projekte in einem luftleeren Raum. Die Bedürfnisse sind groß wie eh und je, aber es gibt keine Ansprechpersonen mehr und die Bezirke und Dörfer werden mehr schlecht als recht "verwaltet".

Und jetzt diskutieren die Parteien wann und wenn, dann unter welchen Voraussetzungen es wieder Wahlen geben kann.
Die Regierung spricht von April 2005. Ein Datum, dass selbst unter besten Bedingungen (sofortige, erfolgreiche Gespräche mit den Maoisten) kaum erreichbar ist. Und ohne einen Waffenstillstand kann es keine fairen und freien Wahlen geben. Wenn es nicht sogar notwendig ist, dass die Rebellen ihre Waffen hergeben. Denn mit der MG im Rücken trifft man so schlecht freie Entscheidungen.
Und um die Sache noch komplizierter zu machen, haben die politischen Parteien nichts besseres zu tun als sich auch gegenseitig die Hackeln ins Kreuz zu werfen.

Das ganze Land wird von ihnen (und den Maoisten) als Geisel gehalten und ist ihren Launen ausgesetzt. Nichtzuletzt denen des politischen Führers der einflussreichen Nepali Congress Party, G.P. Koirala, hochgeachtet für seinen Kampf für die Demokratie in den den letzten Jahrzehnten, aber jetzt 83 Jahre alt - und sagen wir mal einem offenen, modernen, nicht-hierarchischen Führungsstil nicht besonders zugeneigt. Koirala, dessen Partei nicht in der Regierung ist (die Partei des Premierministers Deuba ist eine Abspaltung der Nepali Congress), rühmt sich mit Parallelverhandlungen mit den Maoisten (man fragt sich mit welcher Legitimation, schliesslich sind die Parteien derzeit weder gewählt, noch ist der NC in der vom König ernannten Regierung). Aber wenn's um die Frage nach Wahlen geht, erklären seine Parteifreunde, dass die derzeitige Regierung keine Legitimation hat, jetzt Wahlen auszurufen. Puuh. Das ist doch ein ziemlich starkes Stück... Mehr dazu in der Kathmandu Post von heute.

Die letzten Tage waren bestimmt von Gesprächen mit diversen Parteiführern. Die allermeisten leider männlich. Wir diskutieren die Ergebnisse der Meinungsumfrage. Allzu erfreulich ist sie ja nicht für die Parteien. Nicht nur sagen, 85% dass die Parteien für ihren eigenen Vorteil arbeiten und nicht für die Menschen, auch die Zuschreibungen, die den Befragten einfallen, sind nicht gerade freundlich: korrupt, nicht an den Bedürfnissen der Menschen interessiert. Kaum werden den Parteien Problemlösungskompetenzen zu gute gehalten. Und das ist irgendwie auch nicht so verwunderlich.

Schliesslich passieren in Nepal Dinge, die nur schwer nachzuvollziehen sind und eigentlich kaum zu ertragen: in den letzten zwei Wochen sind 400 Menschen an den Folgen von Durchfall gestorben. Wie unnötig und tragisch. Kein gesunder Körper würde an Durchfall sterben, aber in den entlegenen Regionen sind die Menschen von vornherein schlecht ernährt, und es gibt keine medizinische Versorgung. Zwischendurch habe ich mir die Frage an diverse Politiker und Journalisten erlaubt, wie es soweit kommen kann, und wieso es nicht möglich ist ein paar LKW Ladungen Medikamente in die betroffenen Regionen zu bringen.
Die Antworten sind ernüchternd: so meinen manche, dass sowieso nur nur ein kleiner Teil tatsächlich ankommen würde. Der Rest würde auf dem Weg in die Taschen der korrupten Bürokraten und verzweifelten LKW Fahrer verschwinden oder von den Maoisten gekapert werden. Und andere wiederum meinen, dass das Problem an der Wurzel angepackt werden müsse: bessere Ernährung, mehr Hygiene, sauberes Wasser, bessere Lebensbedingungen, verstärkte Entwicklung. Nur: in diesen Wirrwarr von Argumenten sterben kleine Kinder trotzdem weiter.

Es stimmt: die Wurzel aller Probleme liegen in den letzten 100 Jahren. Bis 1950 wurde Nepal von einer absolutistischen Monarchie regiert, die kein Interesse an den Menschen hatte. um 1950 konnten 2% aller Nepalesen lesen und schreiben.
So gesehen ist es ein großer Fortschritt, dass jetzt 50 Jahre später "nur" mehr 40% Analphabeten sind. Aber in diesen 50 Jahren hat sich eben trotzdem nur wenig an den Lebensbedinungen und der Armut geändert.

Seit 1990 eine kleine Revolution die Abkehr vom alten völlig undemokratischen "Panchayat-System" brachte, haben die Parteien nur wenig Fortschritte gebracht. Und viele Erwartungen enttäuscht. Das ist der Nährboden für die maoistischen Rebellen.

Das politische System hier ist gerpägt von zwei großen Parteien: der CPN-UML (Unified Marxist-Leninist) und dem Nepali Congress (NC). Und dann gibt es noch die kleinere Palast-treue RPP und eine Reihe kleinerer regionaler Parteien bzw. Absplitterungen von NC und RPP. Die ideologischen Unterschiede sind kaum feststellbar. Selbst das Programm der winzigen "Grün-Partei", ist eine Ansammlung von Gemeinplätzen. OK, ich muss ihnen den "credit" geben, dass sie immerhin in ihrem Programm konkrete Forderungen auflisten (z.b. zum Thema Waldbewirtschaftung, Bildung, etc.). Das Programm der CPN-UML hingegen liest sich wie ein früh-marxistischer Text aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Aber das lernen wir doch auch in Europa: Programm und Politik finden nicht immer ihre Entsprechung.

Die Maoisten sind für mich aber weiterhin die wirklich große Unbekannte. Welche Ziele verfolgen sie wirklich? Ich lese ihre Manifeste und verstehe warum sie eine Anziehungskraft auf die verarmte Bevölkerung haben. Wer ist gegen gratis Schulen und medizinische Versorgung und eine Landreform? Und sogar die Forderung nach einer Republik (anstatt der von vielen Menschen bevorzugten konstitutionellen Monarchie) ist doch wirklich nicht übermässig radikal.
Aber wenn man sich ihre Taktik ansieht, den Terror gegen Andersdenkende, die gezielten Ermordungen, die Erpressungen, dann weiss ich nicht mehr was ich von den schönen Zielen halten darf...

Ich bin jetzt seit fast einer Woche in Kathmandu, Nepal. Und resümiere nach einer Woche: sehr spannend, gerade hier und gerade jetzt an einem Demokratie-Enticklungsprojekt mizuarbeiten!
Nichtzuletzt deshalb, weil sich das Land ja in einem Quasi-Bürgerkrieg befindet, das Parlament vor 20 Monaten vom König aufgelöst wurde und die politischen Parteien in einem ziemlich kaputen und korrupten Zustand sind. Die Demokratie hier ist also eher komatös.

Mein Beitrag in dem Projekt des National Democratic Institute ist es politische Parteien und vor allem auch die Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit dahingehend zu unterstützen und zu beraten, damit es möglichst bald zu einem Waffenstillstand zwischen den maoistischen Rebellen und der Armee kommen kann und endlich wieder freie und faire Wahlen abgehalten werden können.

Die Hauptschwierigkeit besteht unter anderem darin, dass die Parteien in den letzten 12 Jahren der Demokratie (davor wurde Nepal von einem absolutistischen Monarchen und dem sogenannten Panchayat System regiert) nicht in der Lage waren die großen Probleme des Landes auch nur in Ansätzen in den Griff zu bekommen: die Armut und Diskriminierung vieler Nepalis durch das Kastensystem, und die sehr sehr hohe Arbeitslosigkeit, nicht nur unter wenig gebildeteten Nepalis, und zudem in der öffentlichen Meinung in erster Linie in ihre eigene Tasche gearbeitet haben.

Vor einigen Wochen wurden 3200 Nepali zu ihrer politischen Meinung und möglichen Konfliktlösungsszenarien befragt, unter anderem auch wie ihre Einschätzung auf einer Skala von 1-10 wäre was den Zustand der Demokratie im Land betrifft - 70% der Befragten schätzten den Zustand der Demokratie in Nepal mit 0-5 als sehr schlecht ein. Kein Wunder.

Der kriegerische Konflikt mit den Maoisten hat seine Wurzeln in der Armut und so ist es auch nicht verwunderlich, dass zwischen 35% und 50% der Bevölkerung mit den Zielen der Maoisten sympathisieren. Ihre Mittel (Entführungen, Ermorderungen, Erpressung und allgemeiner Terror gegen Andersdenkende) werden allerdings nur von 4% sehr und von 17% etwas unterstützt.

Jetzt, nach fast 8 Jahren des Konflikts und den letzten Monaten die besonders gewalttätig waren (sowohl von Seiten der Armee als auch der Maoisten), gibt es seit einigen Wochen wieder einen neuen Premierminister, Sher Bahadur Deuba, in einer vier Parteien Koalition, in dessen Verhandlungsgeschick einige Hoffnung gelegt wird.

Für einen Waffenstillstand braucht es aber die Zustimmung des Macht-Dreiecks im Land, nämlich des Königs Gyanendra, der Regierungsparteien und der Maoisten, ob es dazu wirklich kommen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

ich sitze grade in einem lokalen Neighbourhood Internetcafe 100m von meiner Wohnung entfernt, das wirklich so ausschaut wie man sich ein Internet Cafe am Fuss der Himalayas vorstellt, Wasserflecken auf der Wand, uralte Computer, Tourismusplakate als Dekoration, und Sessel die so unangenehm sind, dass man schnell wieder gehen will.

Die letzten Tage hier waren sehr intensiv. Komischerweise - oder auch nicht ? - habe ich aber erst seit gestern das gute Gefuehl hier angekommen zu sein und mich daruer wirklich zu freuen.
Gestern war ich bei einem ganz wunderbaren tibetanisch-buddhistischen Tempel etwas ausserhalb von Kathmandu in Boudanath, mit einer riesige weissen Stupa und rundherum lauter alten traditionellen Haeuser mit den wunderschoenen geschnitzten Holzfenstern der Newari.

Die tage davor war ich in lauter Meetings mit den politischen Parteien, um mit ihnen eine aktuelle Meinungsumfrage (siehe meinen letzten Beitrag) zu diskutieren und Implikationen fuer ihre Arbeit zu analysieren und dann abends immer "pseudo auslaendisch" Essen mit Menschen von lokalen NGOs. Das war zwar interessant, aber das erste gute nepalesische Essen habe ich heute in der Stadt gegessen. In einem Mini-Essensshop wo sonst nur Nepali waren. Und das war wirklich koestlich.

Die Frage nach der Sicherheitslage habe ich mir nach einiger Nervositaet meinerseits (so oft war ich auch noch nicht in einem Konfliktgebiet) mittlerweile mit "in Kathmandu unproblematisch" beantwortet.
Auslaender sind bisher in den ganzen 8 Jahren des Konflikts noch nie ins Kreuzfeuer oder die Schusslinie der Maoisten und der Armee gekommen und so sind hier eigentlich alle ziemlich entspannt was die Sicherheit in der Stadt betrifft. Erst letzte Woche wurde zwar eine ganze Schulklasse aus einer kleinen Siedlung am Rande des Kathmandu Tals von den Maoisten entfuehrt und zwei Tage lang "politisch indoktriniert", aber so sehr das auch zum Fuerchten ist, es ist niemandem etwas passiert. Effektiv war die Aktion aber wohl auch nicht sehr, denn die Kinder sagten auf die Frage ob sie etwas gelernt haetten, dass sie von dem lngen Fussmarsch zu muede gewesen waeren um sich konzentrieren zu koennen...

In den Westen zu fahren ist allerdingsderzeit nicht anzuraten, denn dort sind die Maoisten besonders stark und die Armee auch entsprechend aufgeruestet.
Einige groessere Staedte in den Bergen kann man aber besuchen,. Allerdings koennen viele der hier ansaessigen NGOs und auch Firmen ihre MitarbeiterInnen, vor allem die auslaendischen, nicht in Doerfer und laendlichen Bezirk schicken. Projekte die sehr lokal verwurzelt sind, koennen allerdings mit dem lokalen Staff aus der Community trotzallem weiterarbeiten. Und das ist wichtig, damit die Arbeit weitergehen kann und nicht noch mehr Jobs verloren gehen.

Spannend war heute auch ein Gespraech mit Kunda Dixit, dem Herausgeber und Chefredakteur der groessten und wichtigsten politischen Magazine hier. Eines davon ist in englisch und wirklich exzellent: http://www.nepalitimes.com
Das Magazin zu lesen, erhellt einiges an dem politischen System hier.

Was denken die Nepalesen über ihr Land? Welche Wünsche, Ideen, Hoffnungen haben sie? Wie leben sie mit dem blutigen Konflikt hier? Diese und andere Fragen hat eine aktuelle Meinungsumfrage unter mehr als 3000 NepalesInnen aus allen Landesteilen und Schichten erhoben. Spannende Fragen und mindestens so spannende Antworten.
Die Nepalesen sind zu 95% (!) unzufrieden mit der Richtung in die sich das Land bewegt. Ihre Hauptanliegen sind Arbeitsplätze, die Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen und ein Eindämmung der Korruption. Obwohl die große Mehrheit gegen das Mittel der Gewalt zur Durchsetzung der maoistischen Anliegen ist, zeigt sich in der Umfrage eine konsistente 20% Gruppe von Menschen, die mit den Zielen der Maoisten sympathisieren (z.b. Gratis und vorgeschriebene Schulbildung, freie medizinische Versorgung, eine Landreform, eine republikanische Staatsform ohne König).
Und: die überwiegende Mehrheit wollen eine funktionierende Demokratie und baldige Wahlen.
Allerdings vertrauen sie den existierenden politischen Parteien nur bedingt und halten sie für korrupt und wenig ideenreich.
Am wichtigsten ist jedoch für die allermeisten Frieden, und das um (fast) jeden Preis.

 
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