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Ich bin wieder in Wien. Ein langer Flug über Abu Dhabi, Doha und München hat uns wieder nach Hause gebracht. Ein Glück angesichts der Tatsache dass ja unsere Fluglinie eigentlich ihre Flüge wegen der Demolierung ihres Büros eingestellt hat.

Die letzten Tage in Kathmandu waren nicht so lustig. Umso mehr schätze ich jetzt die "Wiener Freiheiten": Sicherheit, sauberes Wasser, klare Luft, und vor allem: keine Ausgangssperre.

Ich versuche schon seit Tagen ein Resumee dieser sieben Wochen zu ziehen und merke wie schwer es mir fällt. Ich habe noch nicht "abgeschlossen" mit Nepal. Vielleicht weil ich das Land so lieb gewonnen habe und - Optimistin, die ich bin - große Hoffungen darin setze, dass es nur besser werden kann.
Vielleicht auch, weil die Arbeit an den Projekten bei NDI mir gezeigt haben, dass Veränderung auch in einem so kaputten politischen System möglich ist. Ungeduldig wie ich bin, geht es mir natürlich zu langsam. Aber: es ist eine langfristig sicherlich sehr wirksame Intervention, wenn in diesem so hierarchisch und patriarchal strukturierten politischen System mehr Frauen in die Politik gehen.

Und da trägt das Frauen-Programm von NDI einiges bei. Immerhin sind ja in den letzten sieben Jahren 14.000 Frauen ausgebildet worden, um als Politikerinnen auf lokaler Ebene bei Wahlen anzutreten und zu arbeiten.
Natürlich kann man dem entgegenhalten, dass es schon lange keine Wahlen gegeben hat und in der derzeitigen Situation auch in weiter Ferne scheinen, aber ich behaupte, dass die trainierten Frauen nicht nur gelernt haben Politikerinnen zu sein, sondern insgesamt aktiver und selbstbewußter in ihren Communities aufzutreten und sich einzumischen.

Oder die Meinungsumfrage: ihr Zweck ist es den Parteien die politischen Meinungen und Einschätzungen der Bevölkerung, ihr Image als Parteien und die Aussensicht der WählerInnen vor Augen zu führen.
Erfahrungsgemäß sind das "mächtige" Instrumente, auch in Österreich. Es heisst zwar nicht, dass die Parteien in der Lage sind alle korrupten Politiker aus ihren Reihen zu entfernen, aber immerhin wissen sie jetzt, dass die WählerInnen sie für sehr korrupt halten. Und das kann wohl nicht gut sein.

Oder das "Leadership Program" das ich mitentwickelt habe und das von den Parteien massgeschneidert selber implementiert werden wird. Aus diesen internen Trainingsprogrammen werden hoffentlich viele interessante neue PolitikerInnen gestärkt herauskommen. Lernen sollen sie dort das Handwerkszeug: Policy Entwicklung, kritisch und analytisch Denken, PR und Pressearbeit, Staatsbürgerschaftskunde, Konfliktmanagement, und anderes mehr.
Vielleicht sind die AbsolventInnen dieser Programme jene jungen PolitikerInnen, die das Land aus der Sackgasse holen werden.

Ich wünsche es Nepal jedenfalls sehr.
Und ich habe versprochen, dass ich zu den kommenden Wahlen - irgendwann wird es so weit sein, da bin ich sicher! - jedenfalls zurückkomme. Ich freu mich schon drauf.

Eigentlich hofften wir gestern, dass heute die Ausgangssperre aufgehoben würde. Tja, leider waren die Gerüchte falsch. So wie auch gestern dürfen wir zwei Stunden zwischen 7:30 und 9:30 einkaufen gehen, aber mehr auch nicht.

Gestern abend gab es auch so ein kurzes Zeitfenster der Bewegungsfreiheit, innerhalb von Minuten waren hunderte Menschen auf der Strasse, das private Mini-Bussystem funktionierte, Menschen fuhren auf Motorrädern und sogar in Autos (DemonstrantInnen in diesem Land - und zwar quer durch alle politischen Ideologien - pflegen Autos auf Demos in Brand zu setzen, weshalb die Besitzer derartig teurer Statussymbole sie in Krisensituation lieber in den Garagen verstecken). In diesen zwei Stunden auf der Strasse spazieren zu können, ist wunderbar und fühlt sich fast wie Kindheitsferien an.

Und so dachten - hofften - wir, dass heute der "curfew" beendet würde. Aber leider fürchtet die Regierung offenbar weiterhin Ausschreitungen. Vermutlich auch weil heute das islamische Freitagsgebet in den Moscheen stattfinden würde.

Oder - die Regierung fürchtet sich mittlerweile so sehr vor ihrer eigenen Bevölkerung, die spätestens seit dieser Woche weiss, wie schwach und handlungsunfähig sie ist, dass sie sie lieber vorsorglich einsperrt...

Mittlerweile gibt es auch wieder Fernsehen - vorgestern nachmittag wollte die Regierung alle Bilder von Gewalt verhindern und drehte einfach das Kabel-TV ab.
Und die Zensur liess uns wissen, dass sie keine aufwiegelnde Berichterstattung wünsche, weshalb es lange keine Informationen zu Verletzten und den Übergriffen auf Moslems gab.

Mittlerweile gibt es wieder Zeitungen und auch TV Berichte. Zwei Menschen wurden von der Polizei bei den Demonstrationen erschossen.
Beunruhigend sind auch Berichte von Übergriffen durch den Mob auf kritische Medienhäuser und das Fehlen jedes polizeilichen Schutzes. Kantipur - ein großes Verlagshaus, dass für kritische und unparteische Berichterstattung bekannt ist - wurde von Demonstranten mit Steinen angegriffen, aber selbst zahlreiche Anrufe bei Polizei und Behörden brachten stundenlang keinen polizeilichen Schutz.

Mittlerweile gibt es auch Berichte, die darauf schliessen lassen, dass einige der Vandalen für die Zerstörung von islamischem Eigentum und das Abfackeln zahlreicher Arbeitsvermittlungsfirmen, die viele hunderttausende Nepali jährlich ins Ausland schicken, bezahlt wurden. Und die Attacken zentral gesteuert wurden. Von wem ist nicht eindeutig zu klären, aber einiges deutet auf Hindu-Fundamentalisten hin.

...könnte es sein, dass bei den Protesten einige "Rechnungen" gleichzeitig beglichen wurden?

Interessante Berichte und Kommentare, sowie Fotos von den Riots gibt es in der online Ausgabe der Nepali Times: http://www.nepalitimes.com

Die Ausschreitungen und ihre Auswirkungen sollten uns aber den Blick auf die Wurzeln der Auseinandersetzungen nicht versperren. Und uns die großen Probleme und Konflikte des Landes nicht vergessen lassen - schliesslich sind sie die Ursache der Gewaltbereitschaft: Armut und eine Perspektivenlosigkeit, in einem völlig unterentwickelten demokratischen System, in dem es zwar genug Gesetze aber keine Durchsetzung derselben gibt, Menschenrechte durch Maoisten und durch die Armee mit den Füssen getreten werden und die vom König eingesetzte Regierung so schwach ist, dass ein Kommentator der Nepali Times heute schreibt: "Let us have a government, we deserve one"

Nepal stürzt derzeit von einer Krise in die nächste. Nach der Blockade der Stadt und einem kurzen, völlig harmlosen Generalstreik in Kathmandu am Sonntag (einer unfreiwilligen Variante des Autofreien Tages, der immerhin gute Luft brachte), nun gestern massive Ausschreitungen aus Protest gegen die brutale Ermorderung der 12 nepalesischen Geiseln im Irak.

In diesem Land in dem so viele Menschen nichts zu verlieren haben reicht einfach jede Kleinigkeit um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

War es am Sonntag das Militär dass dem äusserst bekannten und mächtigen Führer der Nepali Congress Partei (NC) G.P. Koirela den Abflug aus Kathmandu in einen anderen Landesteil verwehrte - böse Zungen sagen auch, dass ihm nur der Zutritt zur VIP Lounge des Flughafen untersagt wurde und der NC dieses dann aufbauschte um strategischen Nutzen gegen die Regierungsparteien daraus zu ziehen. So ist es jetzt der ohnmächtige Zorn gegen die moslemischen Fundamentalisten im Irak und die Regierung, die offenbar unfähig war angemessen zu reagieren.

Die Gewalt des gestrigen Tages auf den Strassen von Kathmandu aus Zorn gegen die brutale Erschiessung der nepalesischen Geiseln im Irak hat die Regierung zu einer Ausgangsspeere veranlasst. Und so sitzen wir seit gestern 14 Uhr zu Hause und lassen es uns mit DVDs und Keksen gut gehen. Eingeschlossen "for your own safety" - was wahrscheinlich sogar stimmt

Der Weg nach Hause vor dem Beginn der Ausgangsspeere war nicht angenehm: gemeinsam mit hunderten verschreckten Menschen, alle zu Fuss auf dem Weg nach Hause, vorbei an brennenden Reifen und Autos und zornigen Agitatoren.

Laut Presseberichten ist gestern mindestens ein Demonstrant von der Polizei bei den Ausschreitungen getötet worden, viele Dutzende wurden verletzt. Nach fast einem Tag (ich finde viel zu spät) haben gestern abend die Regierung und der König reagiert, zu Ruhe aufgerufen und den Hinterbliebenen der Opfer Kompensationszahlungen versprochen.

Und so wurde gestern vormittag die Moschee im Zentrum durch einen Brandsatz beschädigt, Muslime in der Stadt vom Mob verprügelt, die Büros von Qatar und Saudi Arabian Airlines zerstört.
Die Niederlassungen jener Firma, die den 12 im Irak getöteten Nepalis illegalerweise Jobs im Irak verschafft hatten wurden völlig vandalisiert und in Brand gesetzt.
Der Zorn gegenüber diesen Firmen ist wohl am ehesten nachvollziehbar. Den getöteten jungen Männern wurden gegen Vorauszahlung der horrenden Summe von 150.000 Rupees gut bezahlte Arbeitsplätze in Jordanien versprochen. Als diese dann dort landeten, gab es weder Arbeit noch Geld und sie wurden ein Monat lang in einem Haus festgehalten und dann illegal weiter in den Irak gebracht wo sie als Fahrer, Wachleute und Köche arbeiteten.
Schwer verschuldet und ohne ausreichende Finanzmittel für eine Rückkehr gab es wohl auch kaum ein zurück.

Diese Bedingungen sind ein Ausdruck jener neuen, globalisierten Form von moderner Sklaverei, die mittlerweile weltweit gängig ist: Menschen, die in ihren Heimatländern keine Arbeit finden und verzweifeln, werden rücksichtslos ausgebeutet und in Abhängigkeitsverhältnisse verstrickt aus denen es kein Entkommen gibt.

Und so sitzen wir jetzt alle fest, unser Heimflug am Samstag wird sich wohl ebenso verzögern, wie die Heinmreise jener weiteren 25.000 (!) Nepalis die unter ähnlichen Konditionen Arbeit im Irak hätten annehmen sollen, nach Indien gebracht wurden und nun mittellos in Mumbai festsitzen, ohne Geld und obdachlos.

...gar nicht angenehm sieht es hier in Kathmandu derzeit aus. Nach der Ermorderung der nepalesischen Geiseln im Irak konzentriert sich der Volkszorn unkontrolliert auf Moslems hier in der Stadt und in anderen Landesteilen. Immerhin 5% der Bevölkerung sind Moslems und bisher gab es - anders als in Indien - keine größeren Zusammenstöße und Auseinandersetzung zwischen der großteils Hindu Bevölkerung und Moslems.
Offenbar müssen diese jetzt aber für die Tat von Fundamentalisten büssen und werden auf der Strasse verprügelt.

Wirklich gänzlich unverständlich ist aber dass die Polizei keine Vorkehrungen zum Schutz der Moscheen getroffen hat und diese damit dem Mob ausliefert.

Und die Regierung scheint auch völlig paralysiert. Bisher gibt es keine Statements von ihrer Seite und auch kein kalmierenden Worte des Premierministers. Offenbar fürchtet die Regierung ihren eigenen Sturz und ist sich dessen bewußt, dass der Aussenminister in der Geiselkrise völlig versagt hat (nicht einmal einen Auslandsbesuch war sie ihm wert).
Womit wieder einmal - diesmal der moslemische Teil der Bevölkerung den Preis für die Unfähigkeit und Paralyse der Regierung zahlt.

Die zwölf Nepali, die im Irak vor einer Woche entführt wurden, wurden gestern grausam umgebracht. Das ganze Land ist in nachvollziehbaren Schock und die Medienberichterstattung tut das ihre: die Kameras der TV Newssendungen zeigen wieder und wieder das berührende letzte Video in dem die Geiseln einzeln ihre Namen und Herkunftsort sagen und ihnen die Angst ins Gesicht geschrieben steht.
Gestern abend dann Aufnahmen verzweifelter trauernder Verwandter und die Fotos der erschossenen Geiseln.

Heute entlädt sich der Volkszorn auf der Strasse: Einfahrtsstrassen werden mit brennenden Autoreifen blockiert, die mächtigen Student Unions demonstrieren und die Schulen geschlossen.

Kein Grund zur Sorge um unsere Sicherheit, aber "business as usual" darf heute nicht sein.

Nach acht Tagen wandern durch die Himalayas sitzen wir fest in Jomsom. Mitten in den 8000er Annapurnas in Lower Mustang. Ein grossartiger Ort an dem man gerne noch ein paar Tage verbringt. Aber eigentlich muss ich am Montag wieder in Kathmandu sein und arbeiten.
Heute frueh war schlechtes Wetter und damit kamen keine Flugzeuge aus Pokahara an. Die naechsten Strassen sind sechs Tage in jede Richtung entfernt.

Ein guter Moment ueber die Relativitaet von Mobilitaet und Information nachzudenken...

Wenn wir Pech haben (oder ist es Glueck?) dann dauert das schlechte Wetter noch ein paar Tage und wir kommen hier nur zu Fuss weg (was wiederum geschaetzte 8 Tage gehen bis Pokhara bedeutet, also auch keine ernsthafte Option ist, wenn ich meinen Flieger nach Wien erreichen will).

Und gleichzeitig: Fuer meine Geburtstagsglueckwuensche nach Wien kann ich auf SMS ausweichen, die internationalen Telefonleitungen sind so ueberlastet dass es kein durchkommen gibt. Aber im lokalen Rural Information Center gibts Internetzugang per Satellit.

Die Blockade von Kathmandu ist beendet (lese ich in der drei Tage alten Zeitung). Und gleichzeitig lache ich mit den Nepalis hier ueber die internationale Medienberichterstattung zur Blockade.
Gut, dass der Konflikt hier - wenn auch nur fuer kurze Zeit - internationale Aufmerksamkeit bekommt, schlecht, dass es sensationalistische Aufmacher wie die Blockade braucht.

Meine aktuelle Lektuere zum Wandern, dem tibetischen Buddismus und die Grossartigkeit von Nepal kann ich nur empfehlen: Auf der Spur des Schneeleoparden

 
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